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Pädagogische Förderung und Beratung

Switzerland

12.Pädagogische Förderung und Beratung

Last update: 27 May 2022

Rechtliche Rahmenbedingungen

Die Rechte von Menschen mit Behinderung sowie von Kindern und Jugendlichen mit besonderem Bildungsbedarf werden in der Schweizerischen Bundesverfassung, im Bundesrecht, aber auch im kantonalen Recht geregelt.

Die Bundesverfassung untersagt jegliche Diskriminierung aufgrund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung (Art. 8 Abs. 2 BV), sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor (Art. 8 Abs. 4 BV), garantiert einen ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht (Art. 19 BV) und verpflichtet die Kantone, für eine ausreichende Sonderschulung aller behinderten Kinder und Jugendlichen bis längstens zum vollendeten 20. Altersjahr zu sorgen (Art. 62 Abs. 3 BV).

In den Rechtsgrundlagen werden Zuständigkeiten, Anspruchsvoraussetzungen und Leistungsansprüche geregelt. Eine zentrale Grundlage bildet das Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligung von Menschen mit Behinderung (Behindertengleichstellungsgesetz BehiG). „Menschen mit Behinderungen“ sind gemäss Behindertengleichstellungsgesetz Personen, denen es eine voraussichtlich dauernde körperliche, geistige oder psychische Beeinträchtigung erschwert oder verunmöglicht, alltägliche Verrichtungen vorzunehmen, soziale Kontakte zu pflegen, sich fortzubewegen, sich aus- und fortzubilden oder eine Erwerbstätigkeit auszuüben (Art 2 Abs. 1 BehiG). Das Behindertengleichstellungsgesetz hält fest, dass eine Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen insbesondere dann vorliegt, wenn die Verwendung behindertenspezifischer Hilfsmittel oder der Beizug notwendiger persönlicher Assistenz erschwert werden oder wenn die Dauer und die Ausgestaltung des Bildungsangebots sowie Prüfungen den spezifischen Anforderungen von Lernenden mit Behinderung nicht angepasst sind (Art. 2 Abs. 5 lit. B BehiG).

Darüberhinaus verankert es die adäquate Schulung behinderter Kinder und Jugendlicher: "Die Kantone sorgen dafür, dass behinderte Kinder und Jugendliche eine Grundschulung erhalten, die ihren besonderen Bedürfnissen angepasst ist." (Art. 20 Abs. 1 BehiG) und "Die Kantone fördern, soweit dies möglich ist und dem Wohl des behinderten Kindes oder Jugendlichen dient, mit entsprechenden Schulungsformen die Integration behinderter Kinder und Jugendlicher in die Regelschule." (Art. 20 Abs. 2 BehiG).

Im Bundesgesetz über die Berufsbildung (Berufsbildungsgesetz, BBG) wird unter anderem die berufliche Grundbildung von Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten oder Behinderungen geregelt (Art. 18 BBG).

Seit dem 1. Januar 2008 sind die Kantone für den gesamten fachlichen, rechtlichen und finanziellen Bereich der besonderen Schulung von Kindern und Jugendlichen sowie die sonderpädagogischen Massnahmen verantwortlich. Die Invalidenversicherung hat sich aus der Mitfinanzierung und der damit verbunden Mitregelung zurückgezogen. Daraufhin erarbeitete die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) die Interkantonale Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Bereich der Sonderpädagogik (Sonderpädagogik-Konkordat). Die dem Sonderpädagogik-Konkordat beigetretenen Kantone verpflichten sich zur Einhaltung bestimmter Rahmenverordnungen. Unabhängig vom Beitritt zum Konkordat arbeitet jeder Kanton als Grundlage für die kantonale Gesetzgebung ein Sonderschulkonzept aus, das auf Regierungs- oder Parlamentsebene verabschiedet werden muss.

 

Grundsätze des Sonderpädagogik-Konkordats

Die Bildung im Bereich der Sonderpädagogik basiert auf folgenden Grundsätzen:

  • Die Sonderpädagogik ist Teil des öffentlichen Bildungsauftrages.
  • Integrative Lösungen sind separierenden Lösungen vorzuziehen, unter Beachtung des Wohles und der Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes oder des Jugendlichen sowie unter Berücksichtigung des schulischen Umfeldes und der Schulorganisation.
  • Für den Bereich der Sonderpädagogik gilt der Grundsatz der Unentgeltlichkeit; für Verpflegung und Betreuung kann von den Erziehungsberechtigten eine finanzielle Beteiligung verlangt werden.
  • Die Erziehungsberechtigten sind in den Prozess betreffend die Anordnung sonderpädagogischer Massnahmen mit einzubeziehen.

Gemäss dem Sonderpädagogik-Konkordat haben alle in der Schweiz wohnhaften Kinder und Jugendliche (0-20 Jahre) mit einem besonderen Bildungsbedarf Anrecht auf sonderpädagogische Massnahmen. Das Angebot der Massnahmen wird von den Kantonen festgelegt und beinhaltet folgende Leistungen und Formen der besonderen Schulung:

  • Heilpädagogische Früherziehung: In der heilpädagogischen Früherziehung werden Kinder mit Behinderungen, mit Entwicklungsverzögerungen, -einschränkungen oder -gefährdungen behandelt. Die Unterstützungsmassnahmen können für Kinder ab Geburt bis maximal zwei Jahre nach Schuleintritt im familiären Kontext erfolgen.
  • Integrative Schulung: Voll- oder teilzeitliche Integration von Kindern und Jugendlichen mit besonderem Bildungsbedarf in einer Regelklasse durch die Nutzung sonderpädagogischer Massnahmen.
  • Sonderklassen: In Sonderklassen werden nur Kinder und Jugendliche mit besonderem Bildungsbedarf aufgenommen (z.B. Einführungsklassen, Kleinklassen auf der Primarstufe, Werkklassen auf der Sekundarstufe I). Sonderklassen werden jedoch nur noch in einzelnen Kantonen geführt.  
  • Sonderschule: Sonderschulen haben sich auf bestimmte Behinderungsformen oder Lern- und Verhaltensschwierigkeiten spezialisiert. Die Sonderschule nimmt ausschliesslich Kinder und Jugendliche auf, die Anspruch auf verstärkte Massnahmen haben. Verstärkte Massnahmen übersteigen die lokal verfügbaren Massnahmen. Ihre Eigenschaften sind eine lange Dauer und hohe Intensität, ein hoher Spezialisierungsgrad der Fachpersonen und erhebliche Konsequenzen auf den Alltag, das Umfeld oder auf das spätere Leben des Kindes oder Jugendlichen. Verstärkte Massnahmen unterstehen einem kantonalen Bewilligungsverfahren. Eine Sonderschulung kann zusätzlich mit einem stationären Unterbringungsangebot oder mit einem Betreuungsangebot in Tagesstrukturen kombiniert sein.
  • Pädagogisch-therapeutische Angebote wie Logopädie und Psychomotoriktherapie.
  • Die Kantone sorgen zudem für die Organisation notwendiger Transporte und übernehmen deren Kosten für Kinder und Jugendliche, die aufgrund ihrer Behinderung den Weg zwischen Wohnort, Schule und/oder Therapiestelle nicht selbstständig bewältigen können.

Über den sonderpädagogischen Bereich hinausgehend, werden für Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien und/oder mit einem Migrationshintergrund spezifische Fördermassnahmen angeboten. Ein besonderes Augenmerk wird dem Übergang von der obligatorischen Schule in die nachobligatorische Bildung gewidmet. Die Erhöhung der Abschlussquote auf Sekundarstufe II ist ein gemeinsames Ziel der Verbundpartner, also von Bund, Kantonen und Organisationen der Arbeitswelt. Die Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung unterstützt Jugendliche und Erwachsene bei der Berufs- und Studienwahl sowie bei der Gestaltung der beruflichen Laufbahn. Jeder Kanton führt eine Stelle für die Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung. Behinderte Menschen mit Anliegen im Bereich der Berufs- und Laufbahnplanung können sich an die Berufsberatungsstellen der Invalidenversicherung wenden.

 

 

Referenzen

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft

Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen

Interkantonale Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Bereich der Sonderpädagogik

Bundesgesetz über die Berufsbildung