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Aufbau des Primarbereichs

Belgium - German-Speaking Community

5.Primarbildung

5.1Aufbau des Primarbereichs

Last update: 15 February 2021

Geographische Verteilung

Die Erziehungsberechtigten, die sich für einen Unterricht ihrer Kinder in einer Schule entscheiden, können das Schulnetz frei aussuchen:

  • das von der Gemeinschaft organisierte Unterrichtswesen  (GUW)
  • das offiziell subventionierte Unterrichtswesen (OSUW)
  • das freie subventionierte Unterrichtswesen (FSUW)

Aus pädagogischen oder finanziellen Gründen können sich die verschiedenen Unterrichtsnetze oder Schulträger bezüglich der Koordinierung oder Ergänzung des Unterrichtsangebots absprechen.

Gemeinschaftsschulen sind verpflichtet jeden Schüler einzuschreiben,

  • der Belgier ist und seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort in der Deutschsprachigen Gemeinschaft hat;
  • der Ausländer ist, seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort in der Deutschsprachigen Gemeinschaft hat und im Fremden-, Warte- oder Bevölkerungsregister einer Gemeinde des deutschen Sprachgebiets eingetragen ist;
  • der die Zulassungsbedingungen erfüllt.

Gemeindeschulen (OSUW) sind verpflichtet jeden Schüler einzuschreiben,

  • der Belgier ist und seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort in dieser Gemeinde oder in einer Nachbargemeinde des deutschen Sprachgebiets hat, wenn – in letzterem Fall – die Schule, die er besuchen möchte, die nächstgelegene ist;
  • der Ausländer ist, im Fremden-, Warte- oder Bevölkerungsregister der entsprechenden Gemeinde eingetragen ist und seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort in dieser Gemeinde oder in einer Nachbargemeinde des deutschen Sprachgebiets hat, wenn – in letzterem Fall – die Schule, die er besuchen möchte, die nächstgelegene ist;
  • der die Zulassungsbedingungen erfüllt.

Die Schulträger von freien subventionierten Schulen sind verpflichtet jeden Schüler einzuschreiben,

  • der Belgier ist und seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort in der Deutschsprachigen Gemeinschaft hat;
  • der Ausländer ist, seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort in der Deutschsprachigen Gemeinschaft hat und im Fremden-, Warte- oder Bevölkerungsregister einer Gemeinde der DG eingetragen ist;
  • der die Zulassungsbedingungen erfüllt;

unter der Bedingung, dass der Erziehungsberechtigte mit dem Erziehungsprojekt einverstanden ist.

Aufnahmebedingungen und Wahl der Bildungseinrichtung

Schüler

Zur Primarschule zugelassen ist der Schüler, der am 31. Dezember des laufenden Schuljahres mindestens sechs Jahre alt ist und das Alter von 15 Jahren noch nicht erreicht hat.

Demnach beginnen normalerweise alle Kinder, die zu Beginn des Schuljahres (1. September) zwischen 5 Jahre und 8 Monate und 6 Jahre und 8 Monate alt sind, gleichzeitig, das erste Schuljahr in der Primarschule.

Auf der Grundlage eines Gutachtens des Klassenrates (Kindergärtner und Schulleiter) und des Beraters des zuständigen Psycho-Medizinisch-Sozialen Zentrums (Kaleido Ostbelgien – Zentrum für die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen) kann jedoch ein Kind mit dem Einverständnis seiner Eltern je nach Fall entweder ein Jahr früher als vorgesehen in die Primarschule eintreten oder auch mit sechs Jahren noch ein zusätzliches Jahr im Kindergarten verweilen.

Die Primarschule umfasst sechs Schuljahre; ein Teil der Schüler verbleibt allerdings sieben Jahre und in höchst seltenen Fällen acht Jahre in der Primarschule.

Schulen

  •  Gemeinschaftsschulen (GUW) müssen grundsätzlich alle Schüler aufnehmen.
  • Gemeindeschulen (OSUW) sindnur dazu verpflichtet sind, die Kinder aus der eigenen Gemeinde einzuschreiben oder aber aus Nachbargemeinden, wenn die Schule für den Schüler die nächstgelegene Schule ist.
  • Freie subventionierte Schulen (katholische Schulen) können die Einschreibung eines Schülers nur dann verweigern, wenn die Erziehungsberechtigten nicht bereit sind, dem Erziehungsprojekt der Schule per Unterschrift zuzustimmen. In der Praxis ist es jedoch so, dass die Schulen in der Regel alle Schüler einschreiben, da sie aufgrund der Schülerzahlen finanziert bzw. subventioniert werden.

Eltern/Erziehungsberechtigte

Die Eltern oder anderen Erziehungsberechtigten sind an erster Stelle für die Respektierung der Schulpflichtgesetzgebung verantwortlich: Sie müssen dafür Sorge tragen, dass der Minderjährige – insofern er keinem Hausunterricht folgt - gültig in einer Schule eingeschrieben ist und sie regelmäßig besucht. Die Missachtung dieser Pflicht kann Strafen zur Folge haben (Geld- oder Gefängnisstrafen von einem Tag bis zu einem Monat).

Im Primarschulwesen können sich die Eltern dem Vorschlag widersetzen, dass ihr Kind ein bestimmtes Schuljahr wiederholen sollte. Bei der Entscheidung über die Vergabe des Abschlusszeugnisses der Grundschule am Ende der Primarschule hat die Lehrerschaft jedoch das letzte Wort.

Wenn ein schulpflichtiger Schüler von einer Bildungseinrichtung verwiesen wird, haben die Eltern die Möglichkeit, gerichtlich dagegen vorzugehen.

  • Beim Zivilgericht kann ein Antrag auf Wiedereingliederung eines von der Schule verwiesenen Schülers eingebracht werden.

Was Strafmaßnahmen betrifft, bestehen gewisse Schutzmaßnahmen:

  • Aufzählung der Strafmaßnahmen in der internen Schulordnung der Bildungseinrichtung,
  • vernünftiges Verhältnis zwischen Regelverstoß und Strafmaßnahme,
  • Anhörung des Schülers und - im Falle von Maßnahmen im Hinblick auf einen Schulverweis - der Eltern,
  • obligatorische Stellungnahme des Klassenrates.
  • Die Schulleiter verhängen die Strafen; es besteht jedoch die Möglichkeit, dagegen Einspruch zu erheben.

Altersstufen und Klassenbildung

Klassenbildung

Die Klassenbildung ist frei. Über die Anzahl der Klassen und die Gruppierung der Schüler zu Klassen (Jahrgangs- oder Stufenklassen) entscheidet der Schulleiter mit dem Pädagogischen Rat der Schule. Nur die Bildung der Klassen für den Religion- und Ethikunterricht und den Moralunterricht unterliegt gesetzlichen Bedingungen.

In den meisten größeren Primarschulen entsprechen die Klassen den Altersjahrgängen. Demnach gibt es sechs Jahrgangsklassen (vom 1. bis zum 6. Schuljahr) mit jeweils einer oder mehreren Klassen pro Schuljahr (abhängig von der Schülerzahl und der Entscheidung des Pädagogischen Rates der Schule über die Verwendung des Stellenkapitals).

In den ländlichen Gebieten, wo kleine Schulen nicht über genügend Schüler verfügen, um sechs Gruppen zu bilden, werden notgedrungen Schüler unterschiedlicher Jahrgänge und Schuljahre in einer Klasse gemeinsam unterrichtet. So entsteht eine vertikale Klassenstruktur mit Klassen, in denen zwei, drei oder gar alle sechs Primarschuljahre gruppiert sind. Die Bildung solcher vertikalen, altersgemischten Gruppen fördert das interaktive, gemeinsame Lernen.

Stufen

In der Regel umfasst also die Primarschule sechs Schuljahrgänge, die formal in drei Stufen von jeweils zwei Jahren eingeteilt sind, aber auch aus pädagogischen Gründen in zwei Stufen von drei Jahren oder sogar in Stufen mit folgenden Altersgruppen eingeteilt werden können:

  • die 1. Stufe von 5 bis 8 Jahren (sie umfasst also auch die reiferen Vorschüler aus dem Kindergarten),
  • die 2. Stufe von 8 bis 10 Jahren
  • und die 3. Stufe von 10 bis 12 Jahren.

Eine Stufe wird als pädagogische Grundeinheit betrachtet. Die Arbeit in Stufen ermöglicht es, die Lernprozesse auf mindestens zwei Jahre zu verteilen und die Schüler für die verschiedenen Arbeitsmethoden empfänglich zu machen.

Innerhalb einer Stufe werden die Kinder im Hinblick auf ihre Bedürfnisse gruppiert, wobei sich die Zusammenstellung dieser Gruppen in Zusammenhang mit den vorgeschlagenen Aktivitäten entwickelt.

Die Beachtung der individuellen Rhythmen ermöglicht die Differenzierung der Lernprozesse. In dieser Stufenpädagogik begleitet der Lehrer seine Gruppe oft während mehrerer Jahre (entsprechend der Dauer der Stufe). Die Rundschreiben empfehlen eine Zusammenarbeit der Lehrer, die in einer Stufe unterrichten: Sie tragen eine gemeinsame Verantwortung für die Kinder und erarbeiten ein kohärentes pädagogisches Projekt innerhalb einer jeden Stufe.

Klassengröße

Die Klassengröße ist abhängig von der Anzahl der Klassen, die in einer Primarschule organisiert werden können. Diese Anzahl hängt vom so genannten Stellenkapital dieser Schule ab, das auf der Grundlage der Schülerzahlen folgendermaßen für Primarschullehrer und Schulleiter ermittelt wird: bis 15 Schüler = 1,25 Vollzeitstellen; 16 bis 20 = 1,5 Stellen; 21 bis 25 = 2 Stellen; 26 bis 30 = 2,25 Stellen; für jede weitere angefangene Gruppe von fünf Schülern erhält die Schule eine zusätzliche Viertelstelle. Für Religionslehrer existiert eine getrennte Berechnungstabelle.

Religionsunterricht oder Ethikunterricht (nicht konfessionnelle Sittenlehre)

In den Primarschulen muss jeder Schüler laut Verfassungsbestimmung an einem Religionsunterricht (katholische, protestantische, anglikanische, orthodoxe, jüdische oder islamische Religion) oder an einem Unterricht der nichtkonfessionellen Sittenlehre, den sog. Moralunterricht teilnehmen.

Für diesen Religionsunterricht und den Ethikunterricht stehen für jede Gruppe 2 Stunden wöchentlich zur Verfügung. Er wird in der Regel von einem Fachlehrer erteilt.

Zeitliche Gliederung des Jahres

In der Deutschsprachigen Gemeinschaft beginnt das Schuljahr offiziell am 1. September (eigentlich am ersten Arbeitstag des Monats September) und endet am 30. Juni (eigentlich am letzten Arbeitstag im Monat Juni) des nächsten Ziviljahres.

Ferien

Neben den zweimonatigen Sommerferien (vom 1. Juli bis zum 31. August) haben die Schüler zwei Wochen Winterferien (Weihnachts- und Neujahrswoche), zwei Wochen Frühlingsferien (Osterferien) und zweimal eine Ferienwoche (um den 1. November und nach Karneval). Der Schulkalender wird jährlich von der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft festgelegt.

Feiertage

Folgende Tage gelten in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens als Feiertage (bzw. als schulfreie Tage):

  • Ostermontag,
  • der 1. Mai (Tag der Arbeit)
  • Christi-Himmelfahrt,
  • Pfingstmontag,
  • der 1. November (Allerheiligen)
  • der 11. November (Waffenstillstand).
  • der 15. November (offizieller Feiertag der Deutschsprachigen Gemeinschaft).

Um Fortbildungen oder pädagogische Konferenztage organisieren zu können, verfügen die Schulträger über 3 schulfreie Tage. Ein Schuljahr muss zwischen 180 und 184 Unterrichtstage umfassen, die sich über 37 Wochen verteilen.

Wöchentliche und tägliche Unterrichtsdauer

Die Schulwoche

Die Schulwoche umfasst 5 Tage. In den belgischen Schulen wird wöchentlich in der Regel an 5 Vormittagen (von montags bis freitags) und an 4 Nachmittagen (Montags, Dienstags, Donnerstags, Freitags) unterrichtet.

Mittwochs nimmt der Primarschüler an vier Unterrichtsstunden teil, an den vier anderen Tagen an jeweils sechs Unterrichtsstunden. Das ergibt also wöchentlich insgesamt 28 Unterrichtsstunden zu 50 Minuten (also 1400 Minuten pro Woche). Im Durchschnitt erhalten die Schüler täglich 280 Minuten Unterricht.

Der Schultag

Unterrichtsbeginn und -ende müssen zwischen 8 Uhr und 16 Uhr liegen und werden vom Schulleiter – auf Vorschlag des Pädagogischen Rates und nach Rücksprache mit der Elternvertretung - festgelegt:

In vielen Fällen findet der Unterricht morgens zwischen 8.20 und 12.00 Uhr statt und nachmittags zwischen 13.30 und 15.30 Uhr. Vor-und nachmittags wird jeweils eine Pause vorgesehen. Die Mittagspause muss mindestens 60 Minuten dauern.

In den Städten bleiben die meisten Schüler in der Mittagspause unter Aufsicht einer oder mehrerer Lehrpersonen oder schulexterner Personen in der Schule und können in der Schulkantine ein warmes Mittagessen zu sich nehmen.

In den Grundschulen auf den Dörfern ist das seltener der Fall. Wegen der frühen Ankunfts- und späten Abfahrzeiten mancher Busse, die die Schülerbeförderung gewährleisten, verbringen manche Schüler – besonders der Sekundarschulen - an vier Tagen in der Woche bis zu 8 Stunden in der Schule.

Betreuung außerhalb der Unterrichtsstunden

Schüler, die sehr früh in der Schule ankommen, werden beaufsichtigt.

Das Regionalzentrum für Kleinkindbetreuung (RZKB) bietet eine außerschulische Betreuung für Kinder zwischen 3 und 12 Jahren an, wenn diese Kinder in der Deutschsprachigen Gemeinschaft wohnen oder eine Schule dort besuchen. Es wird eine Betreuung morgens ab 7 Uhr bis Schulbeginn angeboten sowie eine Betreuung nach Schulschluss bis 18 Uhr. 

Die Außerschulische Betreuung arbeitet nach dem Prinzip des autonomen Spieles. Da viele Kinder bis 18 Uhr in der Betreuung bleiben, wurden die erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen, damit die Kinder eigenständig ihre Hausaufgaben erledigen können.

Neben der außerschulischen Betreuung des RZKB gibt es einige private Initiativen, die ebenfalls eine nachschulische Betreuung organisieren. 

Eine Hausaufgabenbetreuung nach der Schulzeit ist in der Deutschsprachigen Gemeinschaft nicht vorgesehen. Es gibt jedoch in einigen Gemeinden private Initiativen, die eine Hausaufgabenbetreuung anbieten.