Die Grundstruktur des Vollzeitsekundarunterrichts wird im Grundlagendekret vom 31. August 1998 festgelegt. Demnach umfassen alle Sekundarschulen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft (DG) drei Stufen von jeweils zwei Jahren:
- 1. Stufe: Beobachtungsstufe (1. und 2. Sekundarschuljahr; 7. und 8. Jahrgangsstufe)
- 2. Stufe: Orientierungsstufe (3. und 4. Sekundarschuljahr; 9. und 10. Jahrgangsstufe)
- 3. Stufe: Bestimmungsstufe (5. und 6. Sekundarschuljahr; 11. und 12. Jahrgangsstufe)
Die 1. Stufe wird als Sekundarunterstufe betrachtet, die 2. und 3. Stufe als Sekundaroberstufe (in gehaltstechnischen Fragen gilt eine andere Einteilung, s. unten). In der Sekundaroberstufe gibt es drei Unterrichtsformen:
- den allgemeinbildenden Unterricht,
- den technischen Unterricht,
- den berufsbildenden Unterricht.
Die 3. Stufe des berufsbildenden Unterricht kann drei Jahre umfassen. Durch dieses fakultative 7. Sekundarschuljahr wird ermöglicht, auch in dieser Unterrichtsform ein vollwertiges Abschlusszeugnis der Oberstufe des Sekundarunterrichts zu erlangen, das den Zugang zu Hochschulstudien ermöglicht. Dieses Abschlusszeugnis wird im berufsbildenden Unterricht nicht wie in den anderen Unterrichtsformen nach dem 6. Jahr vergeben.
Ein Wechsel von einer Studienrichtung in die andere ist zu bestimmten Zeitpunkten und unter bestimmten Bedingungen möglich.
Die frühere Einteilung der Sekundarschule in Unterstufe (die drei ersten Jahre) und Oberstufe (die drei, bzw. vier letzten Jahre) ist heute für die Schulstruktur irrelevant; sie ist allerdings noch (bis zur geplanten Abänderung gewisser gesetzlicher Bestimmungen älteren Datums) in anderen Bereichen von Bedeutung (z.B. Lehrbefähigungsbestimmungen, Gehaltsfragen). Auch wird vorläufig noch nach erfolgreichem Abschluss des 3. allgemeinbildenden beziehungsweise des 4. berufsbildenden Sekundarschuljahres das Abschlusszeugnis der Unterstufe des Sekundarunterrichts ausgehändigt.
Teilzeitunterricht im Schulmilieu gibt es nur an den zwei Sekundarschulen, die hauptsächlich Studienangebote im technischen und berufsbildenden Unterricht anbieten. Schüler der Sekundarschule brauchen die Schule nicht zu wechseln, außer wenn sie ein Studienangebot finden möchten, das in ihrer Sekundarschule nicht angeboten wird (Wahlfächerkombination oder gewisse spezialisierte Abteilungen im technischen oder berufsbildenden Unterricht).
Für den Vollzeitsekundarunterricht ist neben dem Königlichen Erlass vom 29. Juni 1984 über die Organisation des Sekundarunterrichts das Dekret vom 5. Juni 1990 zur Festlegung der Anzahl Unterrichtsstunden/Lehrperson im Vollzeitunterricht von wesentlicher Bedeutung. In diesem Dekret ist festgelegt, wie das Stundenkapital einer Sekundarschule auf der Grundlage der Schülerzahlen errechnet wird. Dieses Stundenkapital ermöglicht es den Schulen, ihr Studienangebot zu machen, die erforderlichen Lehrerstellen zu berechnen und das Lehrpersonal einzustellen. Konkret bedeutet dies, dass jeder Schüler einer Schule mit einem bestimmten Koeffizienten versehen ist, der von der jeweils besuchten Stufe und Unterrichtsform abhängig ist, und dass die Multiplikation Anzahl Schüler x Koeffizient geteilt durch einen entsprechenden Verwaltungsdivisor die Anzahl Vollzeitstellen ergibt, auf die eine Schule während eines bestimmten Schuljahres Anrecht hat. Der o.e. Verwaltungsdivisor ist je nach Schulebene verschieden (Unterstufe: 22 und Oberstufe : 20) und entspricht der Zahl der Unterrichtsstunden, die ein Lehrer für allgemeinbildende Fächer erteilen muss, um einen vollen Stundenplan zu haben.
Das Bildungsziel aller Sekundarschulen ist die Vermittlung von Kompetenzen. Die Schule hat den Auftrag, allen Schülern zu ermöglichen, sich ein Maximum an Kompetenzen anzueignen und sie zum Erwerb der Kernkompetenzen und Kompetenzerwartungen zu führen.
Erste Stufe (Beobachtungsstufe)
Die erste Stufe, auch Beobachtungsstufe genannt, umfasst die beiden ersten Sekundarschuljahre und verfolgt im Besonderen das Ziel, allen Schülern eine breitgefächerte Grundbildung zu gewährleisten. In dieser Stufe können die Lehrer die Schüler beobachten, um ihre besonderen Fähigkeiten zu entdecken und zu fördern. Die Beobachtungsstufe soll zu einer bestmöglichen Orientierung der Schüler in der zweiten Stufe, der Orientierungsstufe führen. Da verschiedene Schüler jedoch schon zu Beginn besondere Defizite in gewissen Bereichen aufweisen, ist es angebracht, sie in einer differenzierten ersten Stufe aufzunehmen, um sie besser und gezielter fördern zu können. Demnach unterscheidet man in der ersten Stufe zum Ersten das 1.A-Jahr und das 2. gemeinsame Jahr und zum Zweiten die differenzierte 1. Stufe mit dem 1.B-Jahr (auch Anpassungsklasse genannt) und dem 2.B-Jahr.
Das 1. A-Jahr und das 2. gemeinsame Jahr
Hauptziel in dieser Stufe ist es, möglichst alle Schüler dazu zu bringen, dass sie nach zwei Jahren die Kompetenzerwartungen, die für diese Stufe im Dekret vom 16. Juni 2008 beschrieben und für alle Schulen in der DG als verbindlich anzustrebende Mindestanforderungen festgelegt worden sind, auch effektiv erreichen.
Ein weiteres Erziehungsziel für die erste Stufe ist es - neben der Arbeit an Kompetenzen - auch überfachliche Kompetenzen anzustreben. Dazu sagt Artikel 13 des Grundlagendekretes u.a.: "In der schulischen Bildung und Ausbildung sind die Erziehung zu eigenverantwortlichem und selbstständigem Lernen und die Förderung der Leistungsbereitschaft wichtige Voraussetzungen, die zum lebenslangen Lernen befähigen."
Die differenzierte 1. Stufe : Das 1. B-Jahr und das 2. B-Jahr
Die Schüler des 1. B-Jahres (auch Anpassungsklasse genannt) und des 2. B-Jahres haben meistens größere Defizite in der allgemeinen Beherrschung der Kulturtechniken, kommen oft auch aus einem sozial benachteiligten Milieu und haben in ihrer Primarschulzeit häufig die Schule als etwas Negatives, Bedrückendes erfahren. Es ist daher das Ziel, aus diesen beiden Klassen eine differenzierte erste Stufe zu entwickeln, in der eine andere Pädagogik zum Tragen kommt, mit deren Hilfe diese Schüler sich wieder mit der Schule versöhnen können, endlich wieder Erfolgserlebnisse erfahren, die Kulturtechniken des Lesens, Schreibens, Sprechens und Rechnens verbessern, Teamgeist entwickeln und durch interessante Aufgabenstellungen zur Anstrengung und Arbeit motiviert werden können.
Durch diese differenzierte Arbeit sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, die erforderlich sind, um nach zwei Jahren in eine Studienrichtung des technischen oder des berufsbildenden Unterricht einsteigen zu können.
Zweite Stufe (Orientierungsstufe) + Dritte Stufe (Bestimmungsstufe)
Nach Abschluss der ersten Stufe, also zu Beginn des 3. Sekundarschuljahres, entscheidet sich der Schüler frei (insofern das Stufenzeugnis der ersten Stufe und die damit verbundene Orientierungsbescheinigung gewisse Optionen nicht ausschließt) für eine Studienrichtung in einer der drei folgenden Unterrichtsformen: allgemeinbildender Unterricht, technischer Unterricht oder berufsbildender Unterricht.
In allen drei Unterrichtsformen umfasst die zweite Stufe (Orientierungsstufe) das 3. und das 4. Sekundarschuljahr und die dritte Stufe (Bestimmungsstufe) das 5. und das 6. Sekundarschuljahr. Im berufsbildenden Unterricht kann in der dritten Stufe ein 7. Jahr hinzugefügt werden, wodurch auch in dieser Unterrichtsform die Hochschulreife erworben werden kann.
Die verschiedenen Studienrichtungen der drei Unterrichtsformen lassen sich formal auch nach einem anderen Kriterium, der eigentlichen Zielrichtung, unterscheiden.
Demzufolge gibt es dann zwei Bildungswege: den Übergangsunterricht und den Befähigungsunterricht.
- Zum Übergangsunterricht gehören alle Studienrichtungen des allgemeinbildenden Unterrichts und einige wenige Studienrichtungen des technischen Unterrichts;
- Zum Befähigungsunterricht gehören die meisten Studienrichtungen des technischen Unterrichts und alle Studienrichtungen des berufsbildenden Unterrichts.
Die Studienrichtungen des Übergangsunterrichts verfolgen hauptsächlich das Ziel, die Jugendlichen auf das Hochschulstudium vorzubereiten, bieten jedoch auch die Möglichkeit, mit einem Abschlusszeugnis der Unterstufe des Sekundarunterrichts (das in Folge des Grundlagendekrets vom 31. August 1998 demnächst abgeschafft werden wird) oder mit einem Abschlusszeugnis der Oberstufe des Sekundarunterrichts ins aktive Berufsleben einzutreten.
Die Studienrichtungen oder Abteilungen des Befähigungsunterrichts streben in erster Linie durch die Vergabe eines Befähigungsnachweises nach vierjähriger Ausbildung den Zugang zum aktiven Berufsleben an, lassen aber die Möglichkeit zu, Hochschulstudien in Angriff zu nehmen (im berufsbildenden Unterricht erst nach einem erfolgreich abgeschlossenen 7. Jahr).