Demographische Lage
Am 1 Januar 2019 lebten in der Deutschsprachigen Gemeinschaft 77.527 Menschen (2005: 72.512; 2010: 75.222). Diese Einwohner machen 0,7 % der Gesamtbevölkerung Belgiens aus. Belgien zählte zum gleichen Zeitpunkt 11.430.460 Menschen (2005: 10.445.852; 2010: 10.839.905), von denen 1.208.542 (10,6 %) in der zweisprachigen Region Brüssel-Hauptstadt, 6.589.069 (57,6 %) in der Flämischen Region und 3.633.795 (31,8 %) in der Wallonischen Region wohnten. Somit machen 2,1 % der Einwohner des Gebiets deutscher Sprache die Bevölkerung der Wallonischen Region aus. Auch flächenmäßig macht sich die Kleinheit der Deutschsprachigen Gemeinschaft bemerkbar: 846,1 km² entsprechen 2,8 % Belgiens (30.688,1 km²) bzw. 5 % des Gebiets der Wallonischen Region (16.901,4 km²). Kombiniert man die Bevölkerungszahlen mit der Gesamtfläche erhält man die Bevölkerungsdichte. Hierbei zeigt sich die Ländlichkeit des Gebiets deutscher Sprache: Mit einer Bevölkerungsdichte von 91 Einwohnern pro km² liegt die Deutschsprachige Gemeinschaft deutlich unter der der Wallonischen Region (216 Einwohner/km²), Flämischen Region (487 Einwohner/km²), Region Brüssel-Hauptstadt (7.489 Einwohner/km²) und somit auch der Bevölkerungsdichte Belgiens (374 Einwohner/km²). Am 1. Januar 2019 zählte die Deutschsprachige Gemeinschaft 16.341 Ausländer, was einem Anteil von 21,1 % entspricht und deutlich über dem Landesdurchschnitt von 12,2 % liegt. Dies erklärt sich durch die in einem Grenzgebiet befindlichen Lage der Deutschsprachigen Gemeinschaft: Die am häufigsten vertretenen ausländischen Nationalitäten im Gebiet deutscher Sprache sind Deutschland (14,5 %) und die Niederlande (0,8 %). Aus anderen europäischen Ländern kommen 3,5 % der Mitbürger und 2,3 % sind Flüchtlinge bzw. kommen aus nicht-europäischen Ländern. Die in Belgien am stärksten vertretenen Nationalitäten der Ausländer sind Frankreich, die Niederlande, Italien, Rumänien und Marokko, aber es gibt bedeutende regionale Unterschiede wie es am Beispiel der Deutschsprachigen Gemeinschaft deutlich wird. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung der Deutschsprachigen Gemeinschaft ist in den letzten Jahren angestiegen (2000: 39,3; 2010: 41,4) und liegt mittlerweile bei 42,7 Jahren. Diese soll laut Bevölkerungsprognose des Föderalen Planbüros Belgiens weiter steigen (2025: 43,5; 2035: 44,6), was vor allem daran liegt, dass die Bevölkerung altert. 2005 lebten 12.430 65-Jährige oder älter in der Deutschsprachigen Gemeinschaft, 2019 sind es 14.975 und 2035 sollen es bereits über 20.200 sein. Die Lebenserwartung ist hoch und lag 2018 in der Deutschsprachigen Gemeinschaft bei 81,76 Jahren (Frauen: 83,83; Männer: 79,73).
Der Anteil der Wirtschaftsbereiche an der Bruttowertschöpfung gibt Aufschluss über die Wirtschaftsstruktur einer Region. Vergleicht man die Wirtschaftsstruktur der Deutschsprachigen Gemeinschaft mit der Walloniens und Belgiens insgesamt, fällt auf, dass das verarbeitende Gewerbe einen relativ hohen Anteil (21,7 %) an der Bruttowertschöpfung innehat (Wallonie und Belgien jeweils 14,4 %). Das verarbeitende Gewerbe ist mit 423,2 Millionen Euro gleichzeitig der Wirtschaftszweig mit der höchsten Bruttowertschöpfung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft. In diesem Wirtschaftszweig haben die Herstellung von Elektromaterial, Herstellung von Gummi und Kunststoffen, Metallverarbeitung und das Ernährungsgewerbe einen besonderen Stellenwert inne. An zweiter und dritter Stelle der Wirtschaftszweige stehen Handel und Reparatur bzw. das Grundstücks- und Wohnungswesen. Auf der anderen Seite weist der Tertiärsektor ein vergleichsweise geringeres Gewicht in der Deutschsprachigen Gemeinschaft auf.
Am 30. Juni 2017 arbeiteten in der Deutschsprachigen Gemeinschaft 22.685 sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer (einschließlich Beamte), die sich auf 2.226 Betriebssitze verteilten. Am 31. Dezember 2017 zählt die Deutschsprachige Gemeinschaft zudem 6.475 Selbständige und Freiberufler. Aufgrund der Grenzlage zwischen drei Grenzen (Deutschland, Niederlande, Luxemburg und der französischsprachige Teil Belgiens) spielen jedoch die Pendlerbewegungen für die Deutschsprachige Gemeinschaft eine nicht zu unterschätzende Rolle. So sind mehr als 25 % der Beschäftigten Pendler ins Ausland: Besonders die Zahl der in Luxemburg Beschäftigten steigt von Jahr zu Jahr: 2018 waren 4.220 Bewohner des deutschen Sprachgebiets in Luxemburg beschäftigt (2005: 2.550; 2010: 3.194). Einpendler in die Deutschsprachige Gemeinschaft kommen vornehmlich aus dem belgischen Binnenland und vermehrt auch aus Deutschland.
Sprachen
Die offiziellen Sprachen in Belgien sind Niederländisch, Französisch und Deutsch. Die Sprachregelung in Belgien fußt auf der Existenz von vier Sprachgebieten (Art. 4 der Verfassung): das deutsche Sprachgebiet, das französische Sprachgebiet, das niederländische Sprachgebiet und das zweisprachige Gebiet Brüssel-Hauptstadt (Französisch/Niederländisch). Die Sprachgebiete dürfen nicht mit den Regionen und den Gemeinschaften, d.h. den föderierten Gebilden, verwechselt werden, obschon erwähnenswert ist, dass das deutsche Sprachgebiet mit der Deutschsprachigen Gemeinschaft identisch ist, eine Übereinstimmung, die nicht für die anderen Sprachgebiete und Gemeinschaften zutrifft. Die Einteilung in Sprachgebiete und die Festlegung der Sprachgrenzen durch das Gesetz vom 8. November 1962 zielt besonders darauf ab, den Anwendungsbereich der Gesetzgebung über den Sprachengebrauch im Bildungswesen (30. Juli 1963) und in der Verwaltung (2. August 1963) und der Dekrete der Gemeinschaften zu bestimmen. Jede Gemeinde gehört einem dieser Sprachgebiete an. Angesichts der allgemeinen sprachlichen Homogenität der Sprachgebiete hat sich der Gesetzgeber für das Prinzip der territorialen Einsprachigkeit entschieden, was Verwaltung und Bildungswesen betrifft, mit Ausnahme von Brüssel, das offiziell als zweisprachig gilt und in Französisch und Niederländisch verwaltet werden muss. Das bedeutet also, dass Belgien ein dreisprachiges Land, ein Land mit drei Landes-, Amts- oder Staatssprachen ist, dass aber jedes Sprachgebiet nur eine einzige Amts- oder Staatssprache hat – mit Ausnahme Brüssels, das deren zwei hat.
Minderheitensprachen
Obschon es den Begriff Minderheitensprachen in Belgien nicht in offiziellen Gesetzestexten gibt, gibt es de facto sehr wohl sprachliche Minderheiten in den einzelnen Sprachgebieten. Da sind zum einen die sehr zahlreichen Einwandererfamilien, die (noch) ihre jeweilige Sprache sprechen (insbesondere Italienisch, Arabisch, Spanisch, Türkisch, Kurdisch, Portugiesisch,…). Diese Sprachen haben in Belgien keinen offiziellen Status. Zusätzlich gibt es in jedem einsprachigen Gebiet auch Belgier, die nicht diese Gebietssprache, sondern eine der beiden anderen Staatssprachen als Muttersprache haben. Sie sind dann de facto eine -wenn auch nicht offiziell als solche anerkannte - Sprachminderheit in diesem Gebiet. In der Regel passen sie sich sprachlich an ihr Umfeld an, indem sie auch die Gebietssprache sprechen, und lassen sich in ihr verwalten und ausbilden. Dies entspricht auch dem Prinzip der territorialen Einsprachigkeit, das im Gesetz über den Sprachengebrauch festgelegt ist. In bestimmten Gemeinden, die direkt an der Sprachengrenze gelegen sind, ist der Prozentsatz derjenigen, die eine andere Staatssprache als die des betreffenden Gebietes sprechen, seit jeher sehr bedeutend (etwa 20-30 %). Aus diesem Grund sieht der Gesetzgeber ausdrücklich vor, dass in diesen Gemeinden – und nur dort (sie werden im Gesetz aufgelistet) – die Bürger dieser sprachlichen Minderheit, wenn sie es wünschen, gewisse Dienstleistungen in ihrer Muttersprache erhalten können. Die lokalen öffentlichen Dienststellen müssen dort so organisiert sein, dass die Bürger nicht nur in der Gebietssprache, sondern auch in der anderen Staatssprache ohne die geringsten Schwierigkeiten bedient werden können. Für die regionalen und föderalstaatlichen Dienststellen gelten im Großen und Ganzen die gleichen Bestimmungen, d.h. dass jeder Bürger einen Rechtsanspruch auf den Gebrauch seiner Sprache (insofern es eine der drei Landessprachen ist) bei den Beziehungen mit den Behörden hat, auch wenn diese sich nicht im betreffenden Sprachgebiet befinden. Die Berücksichtigung der deutschen Sprache durch die regionalen und föderalstaatlichen Dienststellen lässt jedoch – auch wenn schon beachtliche Anstrengungen unternommen und Fortschritte erzielt worden sind – noch manche Wünsche offen. Neben den drei anerkannten Landessprachen Niederländisch, Französisch und Deutsch gibt es allerdings auch noch sehr lebendige autochthone Regionalsprachen (z.B. Wallonisch und Pikardisch, Luxemburgisch, Plattdeutsch,...), für die sich gewisse Vereinigungen einsetzen; diese finden zwar seitens der Behörden eine gewisse Anerkennung und erhalten eine Unterstützung, aber sie werden nicht als Verwaltungs- oder Schulsprachen berücksichtigt.
Unterrichtssprache
In Belgien ist die Sprache des jeweiligen Sprachgebiets im Prinzip auch die Unterrichtssprache. So ist die Unterrichtssprache Deutsch im Gebiet deutscher Sprache, Niederländisch im Gebiet niederländischer Sprache, Französisch im Gebiet französischer Sprache und je nach Wahl der Erziehungsberechtigten Französisch oder Niederländisch im zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt. Allerdings werden längs der Sprachengrenze mehrere Gemeinden des Gebiets niederländischer Sprache und des Gebiets französischer Sprache sowie alle neun Gemeinden des Gebiets deutscher Sprache als Gemeinden mit sprachlichen Erleichterungen für die anderssprachige Minderheit betrachtet, die dadurch die Möglichkeit erhält, nicht nur in ihrer Sprache in den Verwaltungen bedient zu werden, sondern auch Grundschulunterricht für ihre Kinder zu erhalten. So ist im Gebiet deutscher Sprache Deutsch Unterrichtssprache, außer in den für die frankophone Minderheit in diesem Sprachgebiet gesetzlich vorgesehenen französischen Primarschulen bzw. -abteilungen, in denen Französisch Unterrichtssprache ist. Das in der Deutschsprachige Gemeinschaft bis 2004 für den Sprachgebrauch im Unterrichtswesen gültige Gesetz vom 30. Juli 1963 sah die Möglichkeit vor, in den Schulen des deutschen Sprachgebiets neben dem Französischunterricht (erste Fremdsprache) auch einen Teil des Fachunterrichts in Französisch zu erteilen, ohne dass jedoch – wie im Gesetz vorgesehen - genaue Grenzen dafür festgelegt werden konnten. Ohne näher auf die Details einzugehen, müssen in diesem Zusammenhang noch zwei wichtige Punkte genannt werden, die für die Unterrichtssprache von Bedeutung sind : • Viele Sekundarschullehrer sind im französischsprachigen Landesteil in französischer Sprache ausgebildet worden und beherrschen demnach die Fachterminologie sehr gut in dieser Sprache, nicht aber unbedingt auch auf Deutsch, das ja hier in der Deutschsprachigen Gemeinschaft vorgeschriebene Unterrichtssprache ist. Das ist nicht immer unproblematisch. • In Anbetracht der geringen Schülerzahlen werden die großen Verlagshäuser Belgiens keine Schulbücher und sonstige Unterrichtsmaterialien in Deutsch erstellen und herausgeben, so dass die Unterlagen von den Lehrern selbst erstellt werden oder aus dem deutschsprachigen Ausland stammen. Eine Übereinstimmung mit den hiesigen Lehrplänen oder Rahmenpläne ist in letzterem Fall nicht immer gewährleistet.
Religionen
Die Verfassung garantiert die Trennung von Kirche und Staat. Die Freiheit der Kulte, die Freiheit ihrer öffentlichen Ausübung sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung werden gewährleistet, begrenzen aber nicht die Ahndung der bei der Ausübung dieser Freiheiten begangenen Delikte (Art. 19 der Verfassung). Alle schulpflichtigen Schüler haben zu Lasten der Gemeinschaft Anrecht auf eine religiöse oder moralische Erziehung (Art. 24 der Verfassung). In den Schulen folgen sie von 5 bis 18 Jahren entweder einem Religionsunterricht (wobei die in Belgien anerkannten Religionen in Betracht gezogen werden: die katholische, die protestantische, die orthodoxe, die islamische, die jüdische und die anglikanische Religion), oder einem konfessionell nicht gebundenen Moralunterricht, den sogenannten Ethikunterricht.