Die Zahl der Kinder mit Eingliederungshilfe aufgrund einer (drohenden) Behinderung in Angeboten der Kindertagesbetreuung ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Im Jahr 2019 nahmen dem gemeinsamen Bildungsbericht von Bund und Ländern Bildung in Deutschland 2020 zufolge 82.185 Kinder mit Eingliederungshilfe ein Angebot in Tageseinrichtungen oder Tagespflege in Anspruch. Gleichzeitig steigt in den Kitas der Anteil derer, die eher inklusionsorientierte anstelle spezifischer Einrichtungen und Gruppen besuchen: Im Jahr 2019 wurde fast die Hälfte (48 %) aller Kinder mit Eingliederungshilfe in Gruppen betreut, in denen der Anteil von Kindern mit Eingliederungshilfe insgesamt unter 20% lag.
Der Ländervereinbarung über die gemeinsame Grundstruktur des Schulwesens und die gesamtstaatliche Verantwortung der Länder in zentralen bildungspolitischen Fragen zufolge kann die Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf auch an sonderpädagogischen Bildungseinrichtungen (z. B. Förderschulen, Förderzentren, Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt, Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren) erfolgen, um den individuellen Gegebenheiten der Schülerinnen und Schüler sowie dem elterlichen Wahlrecht des schulischen Lernorts Rechnung zu tragen.
Im Einzelnen kann die Ausgestaltung des Förderschulwesens in den Ländern variieren. Die sonderpädagogischen Bildungseinrichtungen müssen in die Lage versetzt werden, die erforderlichen technischen Medien sowie spezielle Lehr- und Lernmittel bereitzustellen. Ergänzend können auch therapeutische, pflegerische und soziale Hilfen anderer außerschulischer Maßnahmenträger einbezogen werden. Sonderpädagogische Bildungseinrichtungen unterscheiden sich nach der Art ihrer sonderpädagogischen Schwerpunkte und nach ihrem Angebot an Bildungsgängen. Die sonderpädagogischen Bildungseinrichtungen unterstützen bei ihren Schülerinnen und Schülern alle Entwicklungen, die zu einem möglichen Wechsel in eine allgemeine Schule und in die Ausbildung führen können.
Sonderpädagogische Förderzentren sollen als regionale oder überregionale Einrichtungen einzelnen oder mehreren Schwerpunkten (z. B. im Bereich der körperlichen und motorischen Entwicklung, im Bereich des Hörens oder Sehens usw.) entsprechen und sonderpädagogische Förderung in inklusiven oder spezifischen Formen möglichst wohnortnah und fachgerecht sicherstellen. Im Rahmen des Präventionsauftrages der Förderzentren findet die Förderung bereits vor Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs, teilweise bereits in den Kindertageseinrichtungen statt.
Definition der Zielgruppe
Für die Definition der Zielgruppe sonderpädagogischer Förderung an Förderschulen gelten die Ausführungen zu sonderpädagogischer Förderung an allgemeinen Schulen.
Aufnahmebedingungen und Wahl der Bildungseinrichtungen
Für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf gilt die Schulpflicht ebenso wie für Kinder und Jugendliche ohne Behinderungen.
Bei Beginn der Schulpflicht melden die Erziehungsberechtigten ihr Kind entweder bei der Grundschule oder aufgrund seiner Behinderung bei der zuständigen sonderpädagogischen Bildungseinrichtung an. Vor dem Hintergrund der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen bestehen in den Ländern derzeit unterschiedliche Regelungen. Dies gilt auch für eine Umschulung von Schülerinnen und Schülern, die eine allgemeine Schule besuchen, bei denen jedoch im Lauf der Schulzeit sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt wird.
Im Grundsatz entscheiden die Eltern, ob das Kind eine allgemeine Schule oder eine sonderpädagogische Bildungseinrichtung besucht. Wird dem Wunsch der Erziehungsberechtigten nicht entsprochen, haben sie außergerichtliche und gerichtliche Einspruchsmöglichkeiten.
Altersstufen und Gruppenbildung
Sonderpädagogische Bildungseinrichtungen können nach Bildungsgängen, Stufen und Jahrgängen gegliedert sein. Verschiedene Arten von sonderpädagogischen Bildungseinrichtungen (z. B. für Sinnesgeschädigte) vereinen die Bildungsgänge der Hauptschule, der Realschule und in manchen Ländern auch des Gymnasiums und führen zu deren Abschlüssen. Diese Bildungsgänge sind wie an allgemeinen Schulen in Primar- und Sekundarbereich gegliedert und nach Jahrgangsstufen aufgebaut. Dabei kann der Unterricht auf mehr Jahrgangsstufen verteilt werden als an allgemeinen Schulen.
Sonderpädagogische Bildungseinrichtungen mit dem Schwerpunkt Lernen sind nach Jahrgangsstufen oder Leistungsstufen gegliedert. Sonderpädagogische Bildungseinrichtungen mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung umfassen drei Stufen, die sich jeweils aus mehreren Jahrgängen zusammensetzen, mit einer sog. Werkstufe, Berufsschulstufe oder Abschlussstufe als letzter Stufe. Diese beiden Bildungsgänge können auch an einer anderen sonderpädagogischen Bildungseinrichtung, z. B. für Sinnesgeschädigte eingerichtet sein.
Lehrpläne, Fächer
Mit Ausnahme der sonderpädagogischen Bildungseinrichtungen mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung und zum Teil mit dem Schwerpukt Lernen arbeiten alle sonderpädagogischen Bildungseinrichtungen nach Lehrplänen bzw. Bildungsplänen, die hinsichtlich der Bildungsziele, Unterrichtsinhalte und Leistungsanforderungen denjenigen der allgemeinen Schulen (Grundschule und Bildungsgänge der Hauptschule, der Realschule und des Gymnasiums) entsprechen. Die Methodik hat jedoch die besonderen Voraussetzungen und Auswirkungen auf das Lernen bei den einzelnen sonderpädagogischen Schwerpunkten zu berücksichtigen. Die sonderpädagogischen Bildungseinrichtungen mit den Schwerpunkten Lernen und geistige Entwicklung arbeiten in der Regel nach eigenen Richtlinien, die wie alle anderen Lehrpläne bzw. Bildungspläne durch das Kultusministerium des jeweiligen Landes erlassen werden. In Thüringen werden Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Lernen seit dem 1. August 2020 im Bildungsgang der Hauptschule nach den entsprechenden Lehrplänen unterrichtet. Allgemeine Informationen zur Entwicklung von Lehrplänen sind den Ausführungen zu Lehren und Lernen im Primarbereich zu entnehmen.
Unterrichtsmethoden und Unterrichtsmittel
Sonderpädagogische Bildungseinrichtungen sind häufig Schulen mit Ganztagsangeboten. Teilweise werden sie auch als Internatsschulen geführt. Die umfassende Förderung der Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen ist Teil des pädagogischen Konzeptes, Unterricht und Erziehung ergänzen einander.
Bei der Gestaltung des Unterrichts wird auf individuelle Bedürfnisse besondere Rücksicht genommen. Der Unterricht findet teilweise in Kleingruppen oder in Form individueller Förderung statt. In der Regel sind die Klassenstärken an sonderpädagogischen Bildungseinrichtungen niedriger als an allgemeinen Schulen.
Je nach Behinderungsart können ergänzend therapeutische Maßnahmen wie Krankengymnastik, verhaltenstherapeutische Übungen und Sprachheilunterricht an sonderpädagogischen Bildungseinrichtungen stattfinden.
Schülerversetzung
In den sonderpädagogischen Bildungseinrichtungen findet in ähnlicher Form wie in den allgemeinen Schulen eine kontinuierliche Leistungsbeurteilung statt. Bei Schülerinnen und Schülern mit geistigen Behinderungen oder mit schweren geistigen Behinderungen erfolgen die Beurteilungen in Form von Berichten zur kognitiven, sozialen und psychischen Entwicklung.
Regelmäßig überprüft die sonderpädagogischeBildungseinrichtung, ob und in welcher Jahrgangsstufe/Stufe eine Schülerin oder ein Schüler weiterhin an dieser Schule seinen Bedürfnissen entsprechend gefördert werden kann, ob er an einer anderen sonderpädagogischen Bildungseinrichtung aufgenommen werden oder an eine allgemeine Schule wechseln soll. Die Einstufung ist Sache der Schule, über einen Schulwechsel entscheidet in der Regel die Schulbehörde nach Anhörung oder auch auf Antrag der Eltern und unter Heranziehung von Gutachten oder Berichten.
Abschlusszeugnis
Soweit es die Art der Behinderung oder Erkrankung zulässt, vermitteln die sonderpädagogischen Bildungseinrichtungen die Abschlüsse der allgemeinen Schulen (Hauptschulabschluss, Mittlerer Schulabschluss oder auch Allgemeine Hochschulreife). Voraussetzung ist, dass nach den Lehrplänen der jeweiligen Schulart unterrichtet wurde und der Bildungsgang mit Erfolg abgeschlossen wurde. In einigen Ländern werden eigenständige Abschlüsse für die sonderpädagogischen Schwerpunkte „Lernen“ und „Geistige Entwicklung“ angeboten.
Bei Schülerinnen und Schülern, die nicht nach den Lehrplänen der allgemeinen Schulen unterrichtet wurden, stellt in der Regel die Lehrerkonferenz den erfolgreichen Abschluss des Bildungsganges fest, wenn alle vorgesehenen Schulstufen erfolgreich durchlaufen wurden.