Die Diskussion über Evaluation im Bildungswesen, d. h. die systematische Beurteilung von Organisationsstrukturen, Lehr- und Lernprozessen und Leistungsmerkmalen mit der Zielsetzung der Qualitätsverbesserung, hat in der Bundesrepublik Deutschland erst Ende der 1980er Jahre und damit später als in anderen europäischen Staaten eingesetzt. Wenn die Evaluation auch dem Begriff nach bis dahin nicht institutionalisiert war, so darf daraus jedoch nicht geschlossen werden, dass entsprechende Kontrollfunktionen nicht existierten. Die staatliche Schul- und Hochschulaufsicht, die statistischen Erhebungen durch Bund und Länder sowie die Bildungsforschung in Instituten, die Bundesministerien oder Ministerien der Länder nachgeordnet sind oder von Bund und Ländern gemeinsam getragen werden, dienen Zwecken der Qualitätssicherung und Evaluation.
Im Bereich des Schulwesens hat die Kultusministerkonferenz mit dem sogenannten Konstanzer Beschluss vom Oktober 1997 die bereits in mehreren Ländern eingeleiteten Prozesse der Qualitätssicherung im Schulbereich aufgegriffen und zu einem ihrer zentralen Themen erklärt. Seitdem wurden in den Ländern Instrumente der Evaluation im engeren Sinne entwickelt, die je nach Zielsetzung eingesetzt werden.
In den Jahren 2003 und 2004 sind Bildungsstandards für den Primarbereich, den Hauptschulabschluss und den Mittleren Schulabschluss verabschiedet worden. Im Oktober 2012 hat die Kultusministerkonferenz Bildungsstandards in den Fächern Deutsch, Mathematik und der fortgeführten Fremdsprache (Englisch/Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife verabschiedet. Im Juni 2020 hat die Kultusministerkonferenz einheitliche Leistungsanforderungen für die gymnasiale Oberstufe und das Abitur in den Naturwissenschaften in allen 16 Bundesländern festgelegt. Dazu wurden verbindliche Bildungsstandards in den naturwissenschaftlichen Fächern Biologie, Chemie und Physik beschlossen.
Im Juni 2006 hat die Kultusministerkonferenz eine Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring beschlossen, die im Juni 2015 überarbeitet wurde.
Im Hochschulbereich ist die Evaluation von Forschung und Lehre unter Beteiligung der Studierenden seit der Änderung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) von 1998 vorgesehen. Auch die Evaluierung von Studiengängen und -fächern ist in den Hochschulgesetzen der meisten Länder verankert. Mit einem Beschluss vom März 2002 hat die Kultusministerkonferenz die künftige Entwicklung der länder- und hochschulübergreifenden Qualitätssicherung in Deutschland vorgegeben, die langfristig zu einem Gesamtkonzept für die Qualitätssicherung unter Einbeziehung aller Hochschularten und aller Studiengänge führen soll. Mit der Einführung der Akkreditierung von Studiengängen, der Einrichtung der ländergemeinsamen Stiftung Akkreditierungsrat, der Gründung von Akkreditierungsagenturen sowie der Verabschiedung der ländergemeinsamen Strukturvorgaben für Bachelor- und Masterstudiengänge wurden Standards und Verfahren für die Qualitätsentwicklung im Bereich der Lehre etabliert. Diese sollen Studierenden und Arbeitgeberinnen bzw. Arbeitgebern verlässliche Orientierung geben und in der internationalen Zusammenarbeit Transparenz über das Studienangebot und die Studienabschlüsse in Deutschland herstellen. Das Verfahren wurde ab Dezember 2016 mit dem Studienakkreditierungsstaatsvertrag neu geregelt, der Anfang 2018 in Kraft getreten ist. Demnach bedienen sich die Hochschulen zur Begutachtung einer der bei dem European Quality Assurance Register for Higher Education (EQAR) registrierten und von der Stiftung Akkreditierungsrat zugelassenen Agenturen. Die Entscheidung über die Akkreditierung trifft die Stiftung Akkreditierungsrat auf der Grundlage der Bestimmungen im Staatsvertrag, der entsprechenden Landesverordnungen und des Gutachtens der Agentur. Nähere Informationen zur länder- und hochschulübergreifenden Qualitätssicherung im Hochschulbereich sind den Ausführungen zur Qualitätssicherung in der Hochschulbildung zu entnehmen.
Als Grundlage für die Akkreditierung und Evaluation von Lehramtsstudiengängen dienen zudem die "Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften" und die "Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung" in der jeweils geltenden Fassung. Nähere Informationen zur Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung durch die Standards für die Lehrerbildung und die ländergemeinsamen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken sind den Ausführungen zur Erstausbildung von Lehrkräften im Schulbildungsbereich zu entnehmen.
Gemäß Artikel 91b Absatz 2 Grundgesetz können Bund und Länder auf Grund von Vereinbarungen zur Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich und bei diesbezüglichen Berichten und Empfehlungen zusammenwirken. Ein wichtiger Bestandteil dieses Zusammenwirkens wie auch der Gesamtstrategie der Kultusministerkonferenz zum Bildungsmonitoring ist die gemeinsame Berichterstattung von Bund und Ländern.
Spezifischer rechtlicher Rahmen
Schulbereich
Die Befugnis des Landes zur Schulaufsicht wird aus der staatlichen Schulhoheit hergeleitet, die sich aus dem Grundgesetz ergibt, nach dem das gesamte Schulwesen unter staatlicher Aufsicht steht (Art. 7 Abs. 1). Näheres regeln die Schulgesetze und Rechtsverordnungen der Länder. In den Schulgesetzen der meisten Länder sind über die Schulaufsicht hinaus gehende Verfahren der externen Evaluation sowie Verfahren der internen Evaluation vorgeschrieben. Die Volltexte der Schulgesetze sind in der jeweils gültigen Fassung über die Internet-Seite der Kultusministerkonferenz zugänglich.
Betriebliche Berufsausbildung
In der betrieblichen Berufsausbildung erfolgt die Qualitätssicherung vor allem über Gesetze und Verordnungen sowie die Empfehlungen des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Im Berufsbildungsgesetz (BBiG) wird der Qualitätssicherung und -entwicklung ein hoher Stellenwert beigemessen. So gehört es zu den Aufgaben der Berufsbildungsausschüsse der zuständigen Stellen (§ 79 Abs. 1 S. 2 BBiG) als auch der Landesausschüsse für Berufsbildung (§ 83 Abs. 1 S. 2 BBiG), im Rahmen ihrer Tätigkeit auf eine stetige Weiterentwicklung der Qualität der beruflichen Bildung hinzuwirken.
Hochschulbereich
Die Hochschulen unterliegen nach dem Hochschulrahmengesetz (§ 59) und den Hochschulgesetzen der Länder einer staatlichen Aufsicht, die von den Ländern ausgeübt wird. Auch die Volltexte der Hochschulgesetze können über die Internet-Seite der KMK aufgerufen werden.
Im Hochschulbereich ist die Evaluation von Forschung und Lehre seit der Änderung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) von 1998 vorgesehen. In den Hochschulgesetzen der meisten Länder finden sich mittlerweile Regelungen zur internen und externen Evaluation.
Weiterbildung
Mit der Novelle des Berufsbildungsgesetzes 2020 wurde zur Stärkung der höherqualifizierenden Berufsbildung ein mehrstufiges System bundesweit geregelter Fortbildungsqualifikationen mit den Abschlussbezeichnungen Geprüfte Berufsspezialistin/Geprüfter Berufsspezialist, Bachelor Professional und Master Professional geschaffen.
Bund und Länder haben in ihren Gesetzen und Rechtsvorschriften zur Förderung der Weiterbildung allgemeine Mindestanforderungen struktureller und quantitativer Art an Einrichtungen der Weiterbildung formuliert. Einige Länder haben darüber hinaus spezifische Normen zur Qualitätssicherung in ihre Rechtsvorschriften aufgenommen. Im Rahmen des Fernunterrichtswesens sichern das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) sowie die Kontrolle der Zentralstelle für Fernunterricht der Länder die Qualität und Weiterentwicklung des Angebots.